Die kommunale Selbstverwaltung – oder was noch davon übrig ist

Die kommunale Selbstverwaltung ist in Deutschland verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) garantiert:

Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

Wissenschaftliche Dienste, Sachstand “Grundzüge der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland und der Schweiz”

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Gemeinden, vertreten durch die von den BürgerInnen gewählten Organe, in einem bestimmten Rahmen frei darin sein sollen, sich ohne staatliche Bevormundung und Einmischung mit ihren Angelegenheiten vor Ort in eigener Entscheidungshoheit zu befassen.

Prof. Dr. Rudolf Bieker: “Kommunale Selbstverwaltung”

Selbstverständlich muss es hierfür einen gesetzlichen Rahmen geben, in welchem sich die Kommunen bewegen dürfen bzw. können. So geben z. B. das Baugesetzbuch, die Haushaltsordnung oder das Vergaberecht einen entsprechenden Spielraum vor, welche zu beachten sind.

Die kommunale Selbstverwaltung ist also ein hohes, gesetzlich verbrieftes Recht. Dieses Recht zu wahren und zu stärken, sollte Aufgabe der Politik sein. Es ist aber leider festzustellen, dass die Möglichkeiten der Kommunen samt der Mandatsträger immer geringer werden, eigene Ideen umzusetzen, dies durch eine immer größer werdende Regelungswut durch die EU, den Bund und auch durch die Länder.

So wird der finanzielle Spielraum der Kommunen durch das Übertragen von Pflichtaufgaben unter Missachtung des Konnexitätsprinzips (Art. 104a Abs. 1 GG) immer geringer.

[Zudem] beeinflussen Bund, Länder und EU die kommunalen Entscheidungsprioritäten durch zweckgebundene Mittel, die nur unter der Bedingung zur Verfügung gestellt werden, dass diese ausschließlich für die jeweils gewollten Maßnahmen verausgabt werden (Goldener Zügel).

Prof. Dr. Rudolf Bieker: “Kommunale Selbstverwaltung”

Dies führt zu einer regelrechten Fördermittelhatz, die die Prozesse verlangsamt und Ressourcen in den Verwaltungen bindet. Somit fehlt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Zeit, sich um die wichtigen Projekte zu kümmern, die die Kommune voranbringen würden.

All dies führt dazu, dass die Kommunen ganz überwiegend nur noch Pflichtaufgaben wahrnehmen können. Von einem selbstbestimmten Handeln in eigener Verantwortung kann also schon längst keine Rede mehr sein.

Dies betrifft allerdings nicht nur den finanziellen Entscheidungsspielraum, sondern auch die Gestaltungsmöglichkeiten rund um die Kommune. Hierzu zwei aktuelle Beispiele:

Entwurf des Landesentwicklungsplans 2025 für Mandelbachtal

Dieser, vom saarländischen Innenministerium vorgelegte Entwurf schreibt der Gemeinde dezidiert vor, wo noch Neubaugebiete erschlossen werden dürfen. Diese sollen nur noch das bipolare Zentrum, nämlich Ormesheim und Ommersheim betreffen. In allen anderen Orten soll nur nach fest vorgelegten Kriterien eine Neubaugenehmigung erfolgen dürfen.

Wir sehen hier einen deutlichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, da der Verwaltung bzw. dem Rat vorgeschrieben wird, wo Baugebiete erschlossen werden dürfen. Dies, ohne ein detailliertes Wissen darüber zu haben, wo derzeit in Mandelbachtal ein Bedarf besteht. Die Beteiligten vor Ort (insbesondere die Ortsvorsteher und die Ortsräte) können den Bedarf deutlich besser einschätzen und dieses Wissen an die Verwaltung weiterleiten.

Windenergieflächenbedarfsgesetz (Bund) und saarländischen Flächenzielgesetz

Diese Gesetze lagen dem Rat Ende des letzten Jahres zur Beratung vor. So soll der Gemeinde nun vorgeschrieben werden, zwingend Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen. Geschieht dies nicht, greift automatisch eine verschärfte Priorisierung.

All dies unter Missachtung des Bürgerwillens und des Beschlusses des Gemeinderates, keine Windkraftanlagen in Mandelbachtal errichtet zu wollen.

All dies scheinen die Gesetzgeber im Bund und im Land nicht zu interessieren. Sie pfeifen auf die kommunale Selbstverwaltung.

Sie ignorieren die Ergebnisse der Bürgerbefragung in Mandelbachtal aus dem Jahr 2022, bei der diese sich klar gegen Windkraft ausgesprochen hatten. Ebenso wird der Beschluss des Gemeinderates, also der demokratisch gewählten Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der mehrheitlich gegen Windkraft votierte, ignoriert.

Welche Konsequenzen hat nun diese Ignoranz?

Sowohl der Entwurf des Landesentwicklungsplans als auch das Flächenzielgesetz bürden den Verwaltungen großen administrativen Aufwand auf. Es verbleibt also wieder weniger Zeit, sich um die wesentlichen Dinge zu kümmern, die eine Gemeinde voranbringen könnte.

Mandatsträger in den Räten werden immer mehr hinterfragen, weshalb sie Ihre ehrenamtliche Zeit in das Studieren der Sitzungsunterlagen, in Fraktions- und Gemeinderatssitzungen investieren, wenn ohnehin der ganz überwiegende Teil der
Entscheidungen von „oben herab“ getroffen wird.

Es ist an der Zeit, den Vertretern an der Basis wieder mehr Vertrauen zu schenken. Eine zentrale Steuerung von politischen Vorhaben hat noch selten funktioniert und lässt das Vertrauen in einen gut funktionierenden Staat immer mehr schwinden.

Überdies muss die Regelungswut in allen Bereichen des täglichen Lebens deutlich zurückgefahren werden, bindet sie letzten Endes doch die produktiven Kräfte in den Verwaltungen und somit auch die positive Fortentwicklung jeder einzelnen Kommune.